Diagnosekriterien (BPS)

Persönlichkeitsstörung

emotional-instabile-Persönlichkeitsstörung

Diagnosekriterien

Persönlichkeitsstörung

Jeder Mensch hat eine individuelle Persönlichkeit und Identität, also eigene Verhaltensmuster, Eigenschaften, Charakterzüge und ein eigenes Gefühlsleben. Somit sind auch Gedanken und Wahrnehmung individuell verschieden. Durch die große Breite der unterschiedlichen Persönlichkeitszüge können die meisten als normal angesehen werden. Weicht das Erleben und Verhalten stark von üblichen Formen ab, geht die Ausprägung über einen einfachen Persönlichkeitsstil hinaus. Von einer Persönlichkeitsstörung spricht man also, wenn die individuellen Züge problematisch und extrem ausgeprägt sind.

Liegt tatsächlich eine Persönlichkeitsstörung vor, bedeutet dies, dass sich die Eigenschaften und das innere Erleben bereits in frühester Kindheit entwickelt haben. Persönlichkeitsstörungen äußern sich durch dauerhafte, intensive und starre Ausprägung in verschiedenen Lebensbereichen. Wirken sich die Symptome schließlich negativ auf die „normale“ Lebensgestaltung aus, führt dies meist zu großem Leidensdruck.

Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS)

Bei dem komplexen Krankheitsbild der Borderline Störung (emotional-instabile-Persönlichkeitsstörung), ist es wichtig, dass die Diagnose nur von Fachleuten gestellt wird, da sich diese Persönlichkeitsstörung sehr stark mit anderen Krankheitsbildern überschneidet und ergänzt wird. Wichtig ist beispielsweise, dass das mit Borderline oft assoziierte Ritzen oder Schneiden, nicht bei allen Betroffenen vorkommt. Ebenso sind Narben und Ritzen oder ähnliches allein nicht zwingend durch eine Borderline-Störung bedingt. Für die genaue Differenzierung ist nicht nur der Blick auf die beschriebenen Kriterien und Symptome, sondern auch auf Ursachen, Intensität, Akzentuierung und Ausschlusskriterien wichtig. Die beschriebenen Inhalte dürfen daher nicht zur Erstellung von Selbstdiagnosen verwendet werden und ersetzen in keinem Fall eine fachliche Beurteilung und Diagnostik, welche ich in meiner Praxis bei Bedarf mit klinischen Fragebögen ergänze.

Ich möchte zudem daran appellieren, dass Selbstreflektion zwar sehr wertvoll und wichtig sein kann, wenn jedoch die eigene Person und das eigene (normale, legitime) Verhalten im Übermaß hinterfragt, analysiert, diagnostisch eingeordnet und kritisiert wird, kann dies sehr belasten und ggf. erst in der Tat psychisch krank machen. Ein liebevoller Umgang mit sich selbst, mit eigenen Mustern, Schwächen und Stärken ist daher sehr wichtig.

Diagnosekriterien und zusätzliche Erläuterungen der Symptome

Nach dem psychiatrischen Klassifikationssystem DSM-5, müssen mindestens 5 der folgenden Kriterien erfüllt sein. Unter Berücksichtigung der beschriebenen Kriterien, basieren die von mir beschriebenen zusätzlichen Erläuterungen auf meinen Erfahrungen zum inneren Erleben der Betroffenen.

1.  Verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden.

D.h., Betroffene haben Schwierigkeiten, für kurze Zeit oder über längere Phasen allein, ohne enge Bezugsperson oder Beziehung zu sein. Dabei entstehen große innere Leere, Einsamkeit und das Gefühl in der Welt vollkommen verloren zu sein. Um das Alleinsein zu vermeiden oder die Gefühle zu betäuben, versuchen Betroffene sich mit Essanfällen, Alkohol, Drogen oder Selbstverletzung zu beruhigen. Durch die große Angst vor Ablehnung und Trennung, suchen Betroffene oft Rückversicherungen, indem sie (meist unbewusst durch emotionale Erpressung) die Stabilität der Beziehung testen. Sätze wie: „ich bin dir sowieso egal“,  „wenn ich dir wichtig wäre, dann würdest du…“ oder die Drohung Kontakt abzubrechen,  kann auf Partner und Freunde großen Druck ausüben.

2. Ein Muster instabiler und intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist.

Betroffene haben oft ein großes Defizit und damit ein großes Bedürfnis nach gesunder, stabiler Beziehung, Nähe und Geborgenheit. Die Sehnsucht umsorgt zu werden steht dabei im Gegensatz zu der Angst vor Nähe, Einengung und Verlust der Freiheit. Auch die therapeutische Beziehung ist meist geprägt von diesen Spannungen und dem Wechsel aus Idealisierung und Misstrauen gegenüber der Therapeutin/en. Viele Betroffene haben frühe traumatische Erfahrungen wie Trennung, Scheidung, Verlust oder körperlichen Missbrauch erlebt. Einige entwickeln allerdings auch ohne Traumatisierung eine Borderline Persönlichkeitsstörung. Auch verbaler Missbrauch oder emotionale Vernachlässigung kann zu einer Borderline-Störung führen. So konnten viele Betroffene als Kind niemals wütend, anstrengend oder traurig sein, ohne dadurch die Zuneigung ihrer Bezugspersonen und den Status „gutes, braves“ Kind zu verlieren. Solche Erfahrungen führen später zu einem extremen Verlangen „gesehen“ zu werden und Zuneigung zu erhalten.

Dies kann für das Umfeld oder Therapeuten eine starke „Sogwirkung“ entstehen lassen. Die Sehnsucht und deutliche Suche nach Hilfe kann schließlich auch das Umfeld hilflos machen und überfordern. Die Angst, wieder enttäuscht und im Stich gelassen zu werden, führt bei Betroffenen zu ständiger Wachsamkeit. Bei Zurückweisung, Kritik und Enttäuschung reagieren Borderline-Betroffene schnell mit einer starken Ablehnung und Entwertung des Gegenübers. Betroffene haben als Kind nicht gelernt, dass eine Person liebenswert und gleichzeitig abweisend oder verärgert sein kann. So werden andere Menschen auch später in „gut“ und „böse“ eingeteilt. Die Idealisierung einer Person schütz so beispielsweise vor der Angst, allein und verloren zu sein, die Abwertung schützt vor Verlustängsten und gibt Kontrolle über die Beziehung zurück. Bei Personen, die mit diesem Beziehungsverhalten der Borderliner in Kontakt kommen, entstehen, je nach Vertrautheit mit dem Gefühlsleben der Borderline-Störung, sehr unterschiedliche Reaktionen.

3. Identitätsstörung : ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung

Viele Betroffene werden gequält von der Frage „Wer bin ich?“ und erleben kein stabiles Identitätsgefühl. Unsicherheit besteht z.B. bei Themen wie sexuelle Orientierung, Berufswunsch, Ziele und Freundeskreise. Häufig richten sie ihr Selbstbild und ihre Selbstbewertung nach wechselnden Vorbildern und Anforderungen. Dadurch fühlen sich Borderliner einmal kompetent und einmal völlig fehlerhaft. Die extreme Wandlungsfähigkeit und die Notwendigkeit, sich immer wieder neu definieren und beweisen zu müssen, führt bei Betroffenen zu der ausgeprägten Fähigkeit, immer wieder „aufzustehen“ und mit neuen Belastungen umzugehen. Die Identitätsstörung wird somit manchmal durch Engagement und Perfektionismus kompensiert. Da das Selbsterleben auf aktuellen Leistungen und Vergleichen mit anderen beruht, kann die Identität in positiven Phasen scheinbar stabil wirken.

4. Impulsivität in mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen (z.B. Geldausgeben, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, Essanfälle)

Um Anspannung und Gefühle wie Traurigkeit, Enttäuschung, Einsamkeit etc. besser aushalten zu können, weisen Betroffene häufig starkes Vermeidungsverhalten durch dysfunktionale Verhaltensweisen auf. Solange die Betroffenen keine gesunden Ventile erlernt haben, helfen die schädlichen Muster dabei emotionale Schmerzen besser zu ertragen.

Ein häufig beruhigendes Ventil sind bekannte, gewohnte Handlungen, die z.B. seit der Kindheit mit „Beruhigung“ verknüpft sind oder bei Eltern als konfliktfrei und „verbindend“ erlebt wurden, wie z.B. das Essen bestimmter Speisen.

Negativen Gefühlen wird z.B. auch durch riskantes, schnelles Autofahren oder riskanten, wechselnden oder ungeschützten sexuellen Kontakten Luft verschafft. Auch Essanfälle und Kaufrausch werden oft impulsiv erlebt und führen sowohl zu finanziellen  Sorgen, als auch zu Selbstabwertung, was den Teufelskreis aus negativen Emotionen und selbstschädigenden Handlungen verschärft.

5. Wiederholte suizidale Handlungen, Selbstmordandeutungen oder – drohungen oder Selbstverletzungsverhalten

Suizidankündigungen und Selbstverletzung sind für das Umfeld der Betroffenen besonders belastend. Den Betroffenen selbst dienen sie aber häufig als Überlebensstrategie in sonst unaushaltbar wirkenden Situationen. Solche Verhaltensmuster können Hilferuf und Appell an die Umwelt sein. Ebenso kann es auch der Versuch sein, wichtige Personen an sich zu binden, da diese aus Angst um die Betroffenen das Defizit an Nähe erfüllen. Selbstverletzendes Verhalten wie Ritzen, Verbrennen, sich schlagen etc. hilft Betroffenen zudem häufig, sich während Gefühlen von Leere oder Dissoziation wieder zu spüren, oder durch die Selbstverletzung andere emotionale Schmerzen zu betäuben. Letzteres kann zu einer Art Sucht werden. Die Betroffenen spüren durch das Zufügen von Schmerzen meist großen Druckabbau, Erleichterung und Entlastung. Trotz der freigesetzten Glückshormone führt das selbstverletzende Verhalten bei Betroffenen meist zu starken Schamgefühlen, Selbstabwertung und Selbsthass. Selbstverletzung passiert meist heimlich und Narben werden häufig sehr lange durch verschiedenste Ausreden vor der Umgebung versteckt.

6. Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung

Betroffene leiden meist sehr unter ihren starken Stimmungsschwankungen und darunter, nie zu wissen, wie es ihnen morgen geht und nie wirklich planen zu können. Durch die große Sensibilität und die feinen Antennen sind die Betroffenen sehr anfällig für kleinste Auslöser eines Stimmungswechsels. Das kann z.B. ein ablehnender Blick oder die verpasste Ausfahrt während der Autofahrt sein kann. Selten kommen Betroffene innerlich zur Ruhe, da allein die innere Grundspannung meist deutlich höher ist als bei Menschen ohne Borderline-Störung und somit die Schwelle zur Überreizung und zum Kontrollverlust schneller erreicht wird. Die starken Stimmungsschwankungen führen beim Umfeld der Betroffenen häufig zu Irritationen und Ablehnung. Das wiederum verstärkt das negative Selbstbild und die Einsamkeitsgefühle der Betroffenen.

7. Chronisches Gefühl von Leere

Das Gefühl von innerer Leere, das Gefühl innerlich tot zu sein, ist für das Umfeld der Borderline-Betroffenen meist nur schwer nachvollziehbar. Bei einer Borderline-Störung erleben Betroffene in diesen Phasen weder Freude noch Trauer, alles wirkt einsam und kalt, schwarz und hohl. Der immense Leidensdruck der daraus entsteht, dass nichts gefühlt wird, führt bei Betroffenen zu dem Versuch, das extreme „Loch“ mit Selbstverletzung, Essen, Alkohol, Sex etc. zu stopfen. Zu lernen, dieses Gefühl von Leere auszuhalten und z.B. nicht mehr den Ausweg in Suizidgedanken zu sehen, verlangt von Betroffenen extreme Kraft und Vertrauen in sich selbst.

8. Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren

Einige Borderline-Betroffene erleben sich häufig sehr gereizt und neigen zu plötzlichen Zornausbrüchen. Meist stehen diese nicht in Relation zum Auslöser und entstehen aus einem Aufstauen verschiedener, heruntergeschluckter Gefühle, bis es zum Gefühlsausbruch kommt. Manche richten die aufkommende Wut gegen sich selbst in Form von Selbstverletzung oder Essanfällen, andere geraten in heftigen Streit und Auseinandersetzungen mit meist nahestehenden Personen.

9. Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome

Sind die Betroffenen besonderen Belastungen wie extremem Druck, Trennung oder Streit ausgesetzt, kann es zu einer Phase paranoider Symptome kommen. So erleben die Betroffenen Misstrauen und quälende Gedanken wie „mich will eh keiner“, „am Ende bleibt sowieso keiner bei mir, irgendwann haben alle die Schnauze voll von mir“, „ich bin nicht dafür gemacht Freunde zu haben“, „mir geht es nur so schlecht wegen dir“, „ich bin dir nicht wichtig“, „ich werde immer falsch verstanden“, „andere sehen mir meine Krankheit an und wollen nichts mit mir zu tun haben“, u.s.w.. Manchmal fühlen sich Betroffene wie verfolgt, besonders wenn das besorgte Umfeld versucht, beruhigend auf sie einzuwirken, oder es werden bestimmte Personen und Stimmen verstärkt warhgenommen.

Ebenso können Belastungen oder negative, traumatische Erinnerungen, die durch bestimmte Orte, Musik, Gerüche etc. ausgelöste werden, bei Betroffenen zu dissoziativen Zuständen führen. Das Ausschalten von Bewusstsein, Erinnerung und Zeitgefühl stellt oder stellte für die Betroffenen eine extreme Überlebensstrategie dar. Ebenso kann es zur Wahrnehmung des eigenen Körpers als fremd und gelähmt oder zu einem Entfremdungserleben von der Umwelt kommen. Was in Extremsituationen Schutz geboten hat, um sich nicht mehr spüren zu müssen, beeinträchtigt heute z.B. bei Aktivierung durch bloße Erinnerungen, ohne echte Gefahr,  das normale Leben. Betroffene erleben diese Zustände schließlich als so quälend, dass sie versuchen, sich durch Selbstverletzung wieder zu spüren und den dissoziativen Zustand zu beenden.

©Lucienne Rudersdorf

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