Belastungen bei Hochbegabung

Herausforderungen und psychische Folgen – Überblick

Anpassung – Isolation

Unterforderung

Freundschaften und soziale Kontakte

Belastungen durch Hochsensibilität / Hochsensitivität

Herausforderungen in Beruf und Alltag

Schule

Die folgenden Beschreibungen entstammen meinen privaten und beruflichen Erfahrungen – sie treffen keinesfalls auf alle hochbegabten Menschen zu und dienen nur als Beispiele für mögliche Herausforderungen, Belastungen, Probleme und psychische Folgen.

Überblick über mögliche Herausforderungen und psychische Folgen

* *  in sozialen Kontakten sind Hochbegabte oft sehr zurückhaltend, unsicher und introvertiert. In größeren Gruppen, vor allem unter eher extravertierten Menschen oder unter Fremden, fühlen sie sich oft unwohl und brauchen lange, bis sie in neuen Kontakten Sicherheit und Vertrauen gewinnen. Sie haben daher meist nur wenige Freunde.

**  Hochbegabte interessieren sich eher für „vernünftige Dinge“ wie für Bücher, spezielle Wissensgebiete und Introspektion als für Besuche in Diskotheken oder Partys – dadurch wirken sie schnell „uncool“ und als Außenseiter.

** Smalltalk fällt vielen Hochbegabten sehr schwer. Sie unterhalten sich bevorzugt über sehr komplexe, spezielle oder tiefgründige Themen und meiden Oberflächlichkeiten – damit langweilen sie sich schnell in „normalen“ Kontakten oder fühlen sich unverstanden und „anders“.

** viele Hochbegabte stehen ungern im Mittelpunkt und fühlen sich unwohl und unsicher bei Gruppenaktivitäten, auf Partys, bei Festen usw.

** Hochbegabte Menschen haben häufig einen hohen Gerechtigkeitssinn und daher ein starkes Bedürfnis nach Ehrlichkeit – sie können schwer lügen und hinterfragen die Dinge kritisch – das kann zu Ablehnung und sozialen Problemen führen.

** bei Freundschaften und Partnerschaften können hochbegabte Menschen sehr anspruchsvoll sein und hohe Maßstäbe haben. Sie suchen Interaktionspartner, Freunde, Partner auf Augenhöhe, mit ähnlichen Werten, ähnlichem Charakter, ähnlichem Bildungsstand und ähnlichen Interessen – das kann zu Isolation und dem verstärkten Gefühl, „anders“ zu sein, führen.

** Hochbegabte erkennen sehr schnell, wenn jemand unauthentisch ist oder wenn sie manipuliert werden. Sie haben sehr feine „Antennen“ und lesen „zwischen den Zeilen“, wodurch sie z.T. sehr empfindlich auf ihr Gegenüber reagieren – so können Rückzug und Enttäuschung entstehen, wenn sie sich belogen, manipuliert oder unverstanden fühlen.

** Menschen mit Hochbegabung sprechen und denken oft sehr schnell – dadurch können sie ungeduldig und unruhig werden, wenn ihr Gegenüber zu langsam ist. Andersrum können sie ihr Gegenüber überfordern.

** Hochbegabte werden oft von großen Selbstzweifeln geplagt – weil sie selten etwas für ihre Leistungen tun oder selten lernen müssen, kann das Gefühl entstehen, dass gute Leistungen nur durch Zufall entstanden sind und dass irgendwann auffliegt, dass sie vielleicht gar nicht so intelligent sind.

** Aufgrund der hohen sprachlichen Fähigkeiten haben Hochbegabte häufig einen differenzierten oder tiefgründigen Humor – der Humor wird von anderen Personen oft nicht verstanden, wodurch sich das Isolationsgefühl verstärken kann.

** Hochbegabte fühlen sich oft „anders“ und unsicher in Bezug auf ihre Identität. Sie spüren, dass sie viel wissen und verstehen, aber sie fühlen sich oft sehr einsam. Manche Kinder und Erwachsene mit Hochbegabung leiden z.T. unter Depressionen, Essstörungen wie Anorexie (Magersucht), sozialer Phobie und anderen psychischen Folgen der „Andersartigkeit“, solange die hochbegabungsspezifischen Eigenschaften und Fähigkeiten noch nicht gut in die Perssönlichkeit integriert sind

Anpassung – Isolation

Manche Hochbegabte haben über Jahre eine starke Anpassung an die Norm entwickelt und gelernt, ihre Eigenschaften und Bedürfnisse hinter einer angepassten Maske zu verstecken. Sich nur mit „Maske“ zu zeigen, verstärkt das innere Gefühl, nur für die „Maske“ gemocht zu werden und eigentlich einsam, „anders“ und unverstanden zu sein, obwohl die Person nach außen vielleicht beliebt wirkt. Die Anpassung kann dabei so anstrengend sein, dass Kontakte gemieden werden und Isolation entsteht.

Unterforderung

Hochbegabte kennen häufig das Gefühl der Unterforderung. Wird eine Hochbegabung z.B. in der Kindheit nicht erkannt, wird ein hochbegabtes Kind in der Schule meist nicht ausreichend gefordert und gefördert. Damit kann es schnell Langeweile entwickeln. Manche Kinder, die sich in der Schule unterfordert fühlen, reagieren mit Schulverweigerung oder verlieren jegliche Freude und Motivation – in Folge bedeutet dies häufig schlechte Noten, Sitzenbleiben oder Schulabbruch, wodurch die Hochbegabung verkannt wird. Andere Kinder zeigen ihre Langeweile und Frustration, indem sie den Unterricht stören, was Lehrer und Mitschüler z.T. als sehr negativ empfinden können. Ebenso gibt es hochbegabte Kinder, die sich für ihr Wissen und die Unterforderung schämen oder die sehr unter der empfundenen Außenseiterrolle leiden. Sie verleugnen gute Leistungen absichtlich, bauen Fehler ein und provozieren schlechte Leistungen, um dazuzugehören und „normal“ zu sein. Auch bei diesen Kindern bleibt die Hochbegabung meist lange unerkannt.

Einige späterkannte erwachsene Hochbegabte berichten z.B., dass sie als Kind in der Schule absichtlich langsam gearbeitet hätten, um nicht negativ aufzufallen, dass es für sie aber völlig normal gewesen sei, sich den anderen anzupassen, weil sie niemanden schlecht dastehen lassen und nicht „anders“ sein wollten und sich als „falsch“ empfunden hätten.

Nicht immer teilen Kinder ihr Erleben mit den Eltern oder Lehrern, wodurch sie z.T. über Jahre ein Verhalten hin zu völliger Anpassung an die Norm entwickeln und ihre Eigenschaften und Bedürfnisse verstecken. Damit verstärkt sich das Gefühl, von niemandem verstanden zu werden, nicht in die Welt zu passen und „anders“ zu sein. Das hinterlässt wiederum ein Gefühl großer Einsamkeit.

Eine Unterforderung kann ähnlich starke körperliche Stresssymptome hervorrufen wie eine Überforderung. Ebenso besteht häufig ein sehr hoher emotionaler Leidensdruck durch ein Gefühl, der Langeweile hilflos ausgeliefert zu sein. Der unterforderungsbedingte Stress entsteht hierbei u.a. durch die Diskrepanz zwischen den Anforderungen (z.B. in Schule/Arbeit/…) und den eigenen Fähigkeiten. Nach meiner Erfahrung besteht hier für Hochbegabte die Gefahr, dass sich an eine Phase der Unterforderung (auch „Boreout“) leicht eine Phase der Überforderung („Burnout“) anschließen kann. Die Angst vor erneuter Unterforderung kann dazu führen, dass ein extremes Arbeitspensum gesucht wird. Ist eine Person hochbegabt und hat einen hohen Bedarf an Input, nutzt sie ggf. jede Gelegenheit, ausgelastet zu sein. So kann sie z.B. ständig versuchen, die Anforderungen zu erhöhen, mehr zu arbeiten oder viele Dinge parallel zu bewältigen, um immer genug Input zu haben. Wenn eine hochbegabte Person in dem Fall nicht auf Selbstfürsorge und Grenzen achtet, führt dies schnell in die Überforderung. Genauso kann eine Überforderung entstehen, wenn die Unterforderung bereits dazu geführt hat, dass die vorherige Leistungsfähigkeit, Motivation oder Kompetenz nicht mehr erreicht wird.

Freundschaften und Kontakte

Hochbegabte erleben häufig, dass sie von ihrem normalbegabten Umfeld nicht verstanden werden oder dieses intellektuell stark überfordern. Die Komplexität und die Schnelligkeit des Sprechens und Denkens führen damit leicht zu Schwierigkeiten in Gesprächen und zu Abneigung gegenüber Small Talk, weil dieser von hochbegabten Menschen meist als sehr anstrengend und oberflächlich empfunden wird.

Im Umgang mit sozialen Kontakten und in Freundschaften ist es für Hochbegabte wichtig, zu beachten, dass die eigenen Interessen vielleicht nicht mit denen des normalbegabten Gegenübers übereinstimmen und die hochbegabungsspezifischen Eigenschaften ggf. überfordernd sein können. Im Kontakt müssen sich hochbegabte Menschen daher oft auf ihre Gesprächspartner einstellen und sich immer wieder aufs Neue fragen, welche Motive und Prioritäten sie in Gesprächen, Kontakten und Freundschaften haben. Dies können z.B. Harmonie, Bindung und Akzeptanz sein – dafür müssen aber ggf. die Gesprächsthemen oder Interessen an das normalbegabte Umfeld angepasst werden

Belastungen durch Hochsensibilität / Hochsensitivität

Hochbegabte meiden häufig Orte großer Ansammlungen von Menschen, wie z.B. in Innenstädten, Bahnhöfen und Einkaufszentren sowie auf Konzerten und Partys. Ein Grund dafür kann u.a. die schnelle Reizüberflutung sein. Um die vielen Reize, Eindrücke und Gedanken zu verarbeiten, brauchen Hochbegabte oft viel Ruhe und Zeit für sich. Die Wahrnehmung ist, bedingt durch die starke Sensibilität, oft sehr intensiv. Ist eine Person hochbegabt und hochsensibel, erlebt sie Reize schnell als belastend. Dadurch zeigen diese Personen oft eine empfindliche Reaktion auf Lärm, Gerüche oder Bilder (z.B. Horror-Filme, schlimme Nachrichten etc.). Nach außen entstehen dadurch häufig Titel wie „Sensibelchen“ oder Aussagen wie „Stell dich nicht so an“. Einige Hochbegabte bevorzugen musikalisch eher ruhige, harmonische Musik – das kann das Gefühl verstärken, nicht dazu zu gehören.

Herausforderungen in Beruf und Alltag

Hochbegabte Erwachsene werden häufig von großen Identitätsproblemen geplagt, weil sie oftmals nicht wissen, was sie wollen, brauchen und mögen. Ihre Stärken sind meist so breitgefächert, dass sie in keinem Bereich das Gefühl entwickeln, besonders gut zu sein – dadurch entstehen häufig große Schwierigkeiten bei der Entscheidung zu einem Studiengang oder bei der Berufswahl. In Schule, Studium oder während der Ausbildung leiden Hochbegabte häufig unter starker Unterforderung und dadurch unter Motivationsproblemen. Wenn Inhalte wiederholt werden, Lernen zu langsam vorangeht oder zu wenig Input besteht, schalten hochbegabte Personen schnell ab und konzentrieren sich auf andere Dinge, wordurch sie unmotiviert wirken. Im Berufsleben können hochbegabte Mitarbeiter große Schwierigkeiten mit Vorgesetzten oder Regeln entwickeln, wenn Regeln sinnlos erscheinen oder Chefs aus ihrer Sicht unlogische und falsche Entscheidungen treffen. Zudem fühlen sich Menschen mit Hochbegabung beruflich vielfach nicht ausgelastet – dadurch kann sich ein häufiger Arbeitsplatz- oder Berufswechsel ergeben. Durch den ausgeprägten Wunsch nach Entwicklung sind hochbegabte Menschen vielfach auf der Suche nach neuen (beruflichen) Herausforderungen, möchten Neues lernen und brauchen viel Input. Dies führt oftmals zu einem „chaotischen“ Lebenslauf und einem Balanceakt zwischen Unterforderung und Überforderung. Hochbegabte haben oft eine große Abneigung gegenüber Routineaufgaben, wie z.B. Tätigkeiten im Haushalt – viele Dinge bleiben liegen oder führen zu Konflikten in der Partnerschaft. Bei alltäglichen Aufgaben wirken Hochbegabte leicht abwesend oder desinteressiert, weil sie sich durch das Gefühl der Langeweile und Unterforderung in komplexe Denkprozesse flüchten und dadurch „verträumt“ wirken.

Herausforderung Schule

Ein schnelles, gutes Verständnis und hohe Wissbegierde können bei einem hochbegabten Kind zu Ungeduld im Umgang mit Mitschülern führen. Hochbegabte Kinder hinterfragen Dinge kritisch und stellen z.T. den Unterricht in Frage, wenn etwas wenig sinnvoll erscheint. Dies kann ebenso zu Schwierigkeiten mit Lehrern und Mitschülern führen. In der Schule erleben hochbegabte Kinder oft das Gefühl von Langweile und sie vermeiden Routineaufgaben, was dazu führen kann, dass einfache Aufgaben/Hausaufgaben verweigert werden. Bei Kindern mit stark ausgeprägter Hochbegabung besteht häufig ein so schnelles Denken, dass der normale Schulalltag zu starkter Unterforderung führt und  fehlende Motivation sowie Abwendung von Aufgaben entstehen – daraus können sich schlechte Noten ergeben, die den eigentlichen Ressourcen nicht entsprechen. Die Kinder haben häufig einen guten und schnellen Überblick und das Bedürfnis, Dinge mitzuteilen oder zu organisieren. Dies kann auf Mitschüler wiederum dominant und unterdrückend wirken.

Ein hochbegabtes Kind besitzt meist einen frühen, großen Wortschatz. Dieser kann dazu führen, dass das Kind spürt, dass es andere leicht manipulieren kann und ein ebenbürtiges Gegenüber vermisst. Kennzeichnend ist ein Interesse an eher altersuntypischen Themen. Dadurch werden hochbegabte Kinder von Gleichaltrigen oft ausgeschlossen oder nicht verstanden, wodurch wieder Isolation und Langeweile enstehen. Hochbegabte Kinder haben häufig sehr kreative und komplexe Ideen, hinterfragen Autoritäten kritisch und schauen weit voraus. Im Schulalltag führt dies leicht dazu, dass sie in Gruppen/Kontakten anecken und sich nicht immer an Regeln halten. Generell bestehen also häufige Interaktionsschwierigkeiten mit dem normalbegabten schulischen Umfeld.

Weitere mögliche Herausforderungen

  • Selbstwertgefühl
  • Mobbing
  • „Masken“ tragen vs. sich zeigen
  • Umgang mit Normalbegabten in Familie/ Beziehung/ Freundschaft/ Schule/ Uni/ Beruf
  • Versagensangst, Zukunftsangst
  • Berufswahl und Freizeit
  • Partnerschaft
  • ADS, ADHS
  • LRS – Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie)
  • Autismus, Asperger
  • Depression, soziale Phobie und andere psychische Probleme
  • Soziale Kompetenzen
  • Selbstbild – Fremdbild
  • Narzissmus
  • Fehldiagnosen und Doppeldiagnosen bei unerkannter Hochbegabung

 

©Lucienne Rudersdorf

private Praxis für Psychotherapie, Supervision,

Coaching & Beratung nach Heilpraktikergesetz

Mainz / Wiesbaden

Weitere Aspekte zum Thema Hochbegabung finden sich hier:

Hochbegabt/Höchstbegabt – Intelligenz

Merkmale und Anzeichen von Hochbegabung

Belastungen bei Hochbegabung

Hochbegabung & Hochsensibilität

Therapie & Beratung bei Hochbegabung

Weitere Informationen rund um Psychotherapie, Beratung und/ oder Coaching in meiner Praxis in Mainz finden sich hier:

Vita / Qualifikationen

Termine/ Kosten/ Ablauf

Philosophie meiner Arbeit

meine Schwerpunkte im Bereich Therapie sind u.a.:  EssstörungBorderlineDepressionen, Angst & PhobieZwänge, Persönlichkeitsstörungen….

meine Schwerpunkte im Bereich Coaching /Beratung: u.a. HochsensibilitätProkrastination (Aufschiebeverhalten)Eltern – und Partnerberatung

Psychotherapie Praxis Mainz